Introvertiert

Introvertierte werden oft aufgrund von üblichen Vorurteilen und Missverständnissen abgestempelt. Tatsächlich ist die Basis solcher Persönlichkeiten sehr komplex.

Das Folgende ist meine Übersetzung eines englischen Blog-Posts. Warum habe ich mir die Mühe gemacht und alles übersetzt ? Weil es 1. sehr interessant, 2. wahr ist!

Tipp : In einer ruhigen Minute aufmerksam durchlesen. Danke!

(Das Original ist in englischer Sprache, hier verlinkt. Geschrieben hat es ein Buchautor, der sich selbst als introvertiert bezeichnet.)

Hinweis : Die Wörter „extrovertiert“ und „extravertiert“ sind in ihrer Bedeutung identisch. Von der lateinischen Abstammung wäre allerdings „extravertiert“ das korrekte Wort.

Sehr häufig anzutreffende Eigenschaften von introvertierten Menschen sind :

reflektiv, intellektuell, an Büchern interessiert, unprätentiös, hochsensibel, nachdenklich, ernst, kontemplativ, subtil, introspektiv, innengeleitet, freundlich, sanft, demütig, die Einsamkeit liebend, schüchtern, risikoscheu, dünnhäutig.

Ganz unten findet sich noch ein kurzer Selbsttest.

Mythen über introvertierte Menschen

Mythos #1 – Introvertierte mögen nicht reden.

Das ist nicht wahr. Introvertierte reden lediglich solange nicht, bis sie etwas zu sagen haben. Sie hassen Small Talk. Bringe einen Introvertierten dazu, über etwas zu reden, das ihn interessiert, und er wird Tage nicht mehr aufhören zu reden.

Mythos #2 – Introvertierte sind schüchtern.

Schüchternheit hat nichts mit dem Wesen von Introvertierten zu tun. Introvertierte haben nicht zwingend Angst vor anderen Menschen. Was sie benötigen, ist ein Grund zur Interaktion. Sie interagieren nicht für den reinen Interaktionswillen („auf Teufel komm raus“). Wenn du mit einem Introvertierten reden möchtest, dann beginne einfach zu reden. Mach dir keine Gedanken höflich zu sein.

Mythos #3 – Introvertierte sind unhöflich/grob.

Introvertierte sehen meist keinen Sinn darin, lange über soziale Höflichkeiten herumzulavieren. Sie wollen, dass jeder echt und ehrlich ist. Leider wird solch ein Verhalten in den meisten Situationen nicht akzeptiert, weshalb sich Introvertierte sehr großem Anpassungsdruck ausgesetzt fühlen können. Dieser Druck wird erschöpfend empfunden.

Mythos #4 – Introvertierte mögen keine Menschen.

Im Gegenteil! Introvertierte schätzen die wenigen Freunde, die sie haben, sehr stark. Die Anzahl ihrer engen Freunde können sie an einer Hand abzählen. Wenn du das Glück hast, dass ein Introvertierter dich als Freund hat, wirst du wahrscheinlich lebenslang einen Verbündeten haben. Sobald du dir den Respekt als Person mit Substanz/Tiefgang verdient hast, bist du drin.

Mythos #5 – Introvertierte meiden die Öffentlichkeit.

Nonsense! Introvertierte mögen es lediglich nicht für eine SO LANGE ZEIT in die Öffentlichkeit zu gehen. Ebenso versuchen sie Komplikationen, die mit öffentlichen Aktivitäten einhergehen, zu vermeiden. Sie verarbeiten Daten und Erfahrung sehr schnell, und müssen deshalb nicht lange verweilen, um „es zu raffen“. Sie sind dann bereit, nach hause zu gehen, aufzutanken und alles zu verarbeiten. „Auftanken“ ist übrigens absolut entscheidend für einen Introvertierten.

Mythos #6 – Introvertierte wollen immer alleine sein.

Introvertierte fühlen sich in ihrer eigenen Gedankenwelt sehr wohl. Sie denken sehr viel nach. Sie sind Tagträumer. Ihnen gefällt es, an Problemen zu arbeiten, Rätsel zu lösen. Aber sie können sich auch sehr einsam fühlen, wenn sie mit niemandem über ihre Entdeckungen reden können. Sie sehnen sich nach einer echten und aufrichtigen Beziehung, mit nie mehr als 1 Person zur gleichen Zeit.

Mythos #7 – Introvertierte sind schräg.

Introvertierte sind meist Individualisten. Sie folgen keiner Gruppe. Sie bevorzugen es, für ihre originelle Lebensweise geschätzt zu werden. Sie denken selbst, fordern die Norm heraus. Die meisten Entscheidungen treffen sie nicht danach, ob etwas populär oder trendig ist.

Mythos #8 – Introvertierte sind distanzierte Außenseiter.

Introvertierte sind Menschen, die in erster Linie sich selbst beobachten. Sie achten dabei sehr auf ihre Gedanken und ihre Emotionen. Das bedeutet nicht, dass sie nicht fähig wären, ihrem Umfeld ähnliche Aufmerksamkeit schenken zu können. Die eigene innere Welt wirkt einfach viel stärker stimulierend und belohnend.

Mythos #9 – Introvertierte können nicht entspannen und Spaß haben.

Introvertierte entspannen typischerweise zuhause oder in der Natur, aber nicht an belebten öffentlichen Plätzen. Introvertierte suchen nicht den Nervenkitzel und sind auch keine Adrenalin-Junkies. Bei zu viel Lärm schalten sie ab. Ihr Gehirn reagiert zu sensibel auf den Neurotransmitter Dopamin. Introvertierte und Extrovertierte haben unterschiedlich dominante Nervenbahnen, schau ins Lexikon.

Mythos #10 – Introvertierte können sich selbst heilen und extrovertiert werden.

Eine Welt ohne Introvertierte wäre eine Welt mit nur wenigen Wissenschaftlern, Musikern, Künstlern, Poeten, Filmemachern, Doktoren, Mathematikern, Autoren und Philosophen. Dies gesagt, gibt es immer noch sehr viele Techniken für Extrovertierte den Umgang mit Introvertierten zu erlernen. (Ja, die beiden Begriff wurden hier absichtlich vertauscht, um hervorzuheben, wie voreingenommen/parteiisch unsere Gesellschaft ist.

Introvertierte können sich nicht „selbst heilen“, sie bedürfen Respekt für ihr natürliches Temperament und für ihre Beiträge zur Menschheit. Eine Studie zeigte übrigens, dass je höher der IQ, umso wahrscheinlicher ist es, introvertiert zu sein.

>>

Das englische Original :  „10 Myths About Introverts“

http://www.carlkingdom.com/10-myths-about-introverts

>>

Weitere Quellen, Grafiken, Videos :

1. Eine weitere Deutsch-Übersetzung

2. Video TEDtalk von Autorin Susan Cain – „The Power of Introverts“ mit deutschem Untertitel !! (Es gibt keinen Zusammenhang zwischen „gut reden können“ und die „besten Ideen haben“ !) – Ihr Buch : „Still – Quiet“

3.  „Introvertierte Persönlichkeiten sind gerne mit sich alleine und schöpfen Kraft aus sich selbst. Gleichzeitig sind sie gerne in Gesellschaft und widmen gewöhnlich ihren nahen und vertrauten Menschen viel Zeit.“ (via, leider gelöscht)

4. „12 Regeln für den Umgang mit Introvertierten“ (englisch)

5. (Offline) In der Ausgabe 34/2012 greift das Magazin „Der Spiegel“ dieses Thema auf, als Titelthema

6. Auf „Spiegel TV“ gibt es auch ein paar Beiträge.

7. Ein Artikel von Kommentar-Schreiber Franz (s.unten, Danke!)

>>

Selbsttest : Bin ich introvertiert ?
(aus dem oben verlinkten Buch „Still“)

Je mehr Positionen man für sich als zutreffend bezeichnet, umso wahrscheinlicher ist es, dass man introvertiert ist.

  • Ich ziehe Einzelgespräche Gruppenaktivitäten vor.
  • Ich drücke mich meistens lieber schriftlich aus.
  • Ich bin gern allein.
  • Ich interessiere mich allem Anschein nach weniger für Reichtum, Ruhm und Status als meine Altersgenossen.
  • Ich mag Small Talk nicht, unterhalte mich aber gerne eingehend über Themen, die mir wichtig sind.
  • Die Leute sagen, ich könne gut zuhören.
  • Ich bin nicht risikofreudig.
  • Ich mag meine Arbeit, in die ich mich mit wenigen Unterbrechungen richtig vertiefen kann.
  • Ich feiere Geburtstage gerne im kleinen Rahmen mit nur einem oder zwei guten Freunden oder Angehörigen.
  • Man beschreibt mich als „leise“ oder „sanft“.
  • Ich zeige oder diskutiere meine Arbeit am liebsten erst, wenn sie fertig ist.
  • Ich mag keine Konflikte.
  • Ich arbeite am besten allein.
  • Ich denke erst nach, bevor ich rede.
  • Ich bin erschöpft, wenn ich unter Leuten war, selbst wenn ich es genossen habe.
  • Ich lasse Anrufer häufig auf den Anrufbeantworter sprechen.
  • Wenn ich wählen müsste, würde ich ein Wochenende, an dem ich überhaupts nichts vorhabe, einem Wochenende mit einem zu vollen Programm vorziehen.
  • Ich arbeite nicht gern an verschiedenen Dingen gleichzeitig.
  • Ich kann mich gut konzentrieren.
  • In Unterrichtssituationen sind mir Vorlesungen lieber als Seminare.

 

2 Kommentare

  1. Hallo,
    wunderbarer Artikel, bin sehr oft auf der Suche nach Artikeln, die mir aus der Seele sprechen. Die Introvertierheit beschäftigt mich seit einer geraumen Zeit, hab selbst viele Bücher dazu gesucht, allerdings findet man immer Bücher über die Schuchternheit/Sociale Phobie etc. Nur leider keine qualitativen Bücher die introvertierte Menschen ansprechen. Deshalb surfe ich gerne im Netz, um mich mit diesen Thema zu beschäftigen. Bei mir fing es am Arbeitsplatz an, wo mich meine Arbeitskollegen als sehr zurückhaltend beschrieben. Manche meinen sogar, dass ich sehr leise rede und oftmals an Gesprächen nicht teilnehme, eine Person die anderen eher zuhören kann und Sachen analysiere. Doch bin ich mit einer Person alleine kann ich oftmals wie ein Wasserfall reden und komme nicht zum Ende. Meine Freundin ist das Gegnteil von mir, sie ist sehr offen, redet die Leute oftmals direkt an und versteht sich mit Wildfremden Menschen auf Anhieb. Nichtsdestotrotz bin ich froh, dass immer mehr Artikel den introvertierten Leser ansprechen und uns Kraft geben, dass wir doch zur Gesellschaft gehören. Auch ein sehr guter Beitrag neben dem, der mir Kraft gegeben hat: http://www.derneuemann.net/introvertierte-maenner-eigenschaften/768 Ansonsten würde ich mir liebend gerne mehr zu diesem Thema wünschen.

    Ich bin froh, dass ich introvertiert bin, auch wenn es einige Nachteile mit sich bringt, trotzdem sollte jeder zu seinem ICH stehen.

    Viele Grüße – die Welt braucht auch Leute unserer Art!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert